Teil III: Ein Rückblick von Daniel
Drei Wochen lang hat der ERL-Maurer-Azubi seinen Gastschüler in Deggendorf betreut, bevor er selbst in die Schweiz aufgebrochen ist. Warum das Projekt nicht nur für seine Ausbildung sinnvoll war, sondern auch sein Organisations- und Improvisationstalent verbessert hat, verrät er im Interview.
ERL: Julia und du hattet zunächst ja zwei Schweizer Azubis zu Gast. Habt ihr diese nur als „Paten“ auf der Arbeit betreut oder gab es auch gemeinsame Freizeitaktivitäten?
Daniel: Ja, es gab einige Freizeitaktivitäten. Wir zeigten ihnen unsere schöne niederbayerische Landschaft, historische Städte und ließen sie die bayerische Kultur erleben. Sie sahen den Volksfestauszug des Deggendorfer Frühlingsfestes, nahmen mit uns am ERL-Familientag teil und bewunderten unsere Landschaft am Waldwipfelweg in St. Englmar sowie im Silberbergwerk Bodenmais. Zudem besuchten wir die Städte Regensburg mit der Walhalla, Passau und München, gingen Gokart -Fahren in Teisnach und nahmen an einer Führung durch die Brauerei Kuchlbauer in Abensberg teil.
ERL: Welche Erfahrungen habt ihr dabei gesammelt?
Daniel: Man möchte die Firma ERL gut präsentieren und den Gästen aus der Schweiz einen unvergesslichen Aufenthalt ermöglichen, was uns, denke ich, sehr gut gelungen ist. Dabei war auch ein gewisses Maß an Improvisationstalent gefragt. Der ursprüngliche Plan wurde manchmal durcheinandergebracht, wenn z.B. das Wetter nicht mitspielte. Dann mussten wir spontan eine Alternative finden.
ERL: Wie konntest du in deiner persönlichen Entwicklung von dem Besuch profitieren?
Daniel: Man hatte eine gewisse Verantwortung gegenüber den Gästen, um unsere Firma und auch unsere Bundesrepublik Deutschland zu präsentieren. Wir wollten unseren Gästen ja nicht nur deutsche Baustellen zeigen, sondern ihnen auch unsere Lebensart und unsere Heimat näherbringen. Ich habe dadurch auf jeden Fall mein Organisationstalent verbessert. Denn es wurde oft etwas stressig, wenn ich am Wochenende meinen Austauschschüler begleiten wollte, aber auch private Termine und meinen Sport unter einen Hut bringen sollte.
ERL: Dann ging es für dich selbst in die Schweiz. Wo hast du gelebt und gearbeitet?
Daniel: Ich habe bei einer Gastfamilie fast im Zentrum von Zug gewohnt. Es war sehr praktisch, da ich alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen konnte. Berufsschule, Baustelle, Einkaufsmeile und See zum Baden waren innerhalb von zehn Gehminuten erreichbar. Ich hatte den Eindruck, dass es eine wohlhabende Gegend war, weil es viele neue, große Häuser mit teuren Autos vor der Tür gab.
Auch die Baustelle, auf der ich eingesetzt wurde, war nur fünf Minuten mit dem Fahrrad von der Gastfamilie entfernt. Dies war sehr angenehm, da dadurch fast keine Freizeit für den Arbeitsweg verloren ging.
ERL: Wie war die Zusammenarbeit mit den Schweizer Kollegen?
Daniel: Die Schweizer Kollegen waren extrem höflich und sehr hilfsbereit. Ich empfand es als sehr angenehm , mit ihnen zu arbeiten. Auch die Hilfsarbeiter aus Portugal oder Spanien waren sehr freundlich und halfen einem gerne.
ERL: Wo waren die größten Unterschiede im Vergleich zu Deutschland?
Daniel: Der größte Unterschied ist, dass in der Schweiz kaum Fertigteile verbaut werden und viel mehr von Hand erstellt wird. Es gibt mehr Akkordarbeiter wie z.B. einige Maurer und Eisenflechter. Eisenmatten sind nämlich teurer als die Kosten für Eisenflechter.
Beim Mauerwerk gibt es auch Unterschiede. In der Schweiz wird oft ein zweischaliges Mauerwerk mit Hinterlüftung erstellt. Die innere, tragende Schale wird mit Ziegel und Mörtel, so wie bei uns früher, gemauert oder es wird die ganze Wand betoniert. Die äußere Schale besteht aus der Wärmedämmung und der sichtbaren Fassade.
In der Schweiz werden auch keine Filigrandeckenplatten verwendet, sondern die Decke wird per Hand mit Schaltafeln eingeschalt.
ERL: Konntest du neben viel Handarbeit auch was lernen, was du auf deutschen Baustellen so nicht erfahren hättest?
Daniel: Ja, ich durfte mit meinem Austauschschüler ein Sichtmauerwerk aus Kalksandsteinen erstellen. Ich vermute, so eine Aufgabe werde ich auf unseren Baustellen eher nicht bekommen.
ERL: Was ist dir in der Schweiz positiv aufgefallen?
Daniel: Das komplette Ausbildungssystem ist mir sehr positiv aufgefallen. Die Berufsschule, die überbetrieblichen Lehrgänge und die Praxis im Betrieb auf der Baustelle greifen in der Schweiz viel mehr ineinander. Die Betriebe sind verpflichtet, den Lehrlingen alle Themen, die in der Schule besprochen werden und in den überbetrieblichen Lehrgängen geübt werden, auf der Baustelle ausführen zu lassen. Das Ausbildungsniveau ist dadurch sehr hoch.
ERL: Gab es auch negative Dinge?
Daniel: Ich weiß, dass viele Menschen Handarbeit schätzen. Ich finde Fertigteile dennoch sinnvoller. Es geht nicht nur schneller, es ist auch stress- und fehlerfrei. Denn anstatt von Fertigteilen gibt es Akkordarbeiter, was zu einer sehr stressigen und hektischen Arbeitsweise führt. Ich könnte mir vorstellen, dass durch dieses System schneller kleine Fehler passieren. Mir ist der Stress auf der Baustelle etwas negativ in Erinnerung geblieben, da man diesen mit kleinen Veränderungen verhindern könnte.
Privat hätte ich mir mehr Zeit mit meinem Austauschpartner gewünscht. Leider hat mir dieser oft kurzfristig abgesagt und ich musste die Schweiz alleine erkunden.
ERL: Das ist schade. Hast du trotzdem ein paar schöne Dinge in deiner Freizeit erleben können?
Daniel: Mark, mein Austauschpartner machte leider nur eine Spritztour über den landschaftlich traumhaften Klausenpass mit mir und zeigte mir ein eidgenössisches Schwingfest. Aber die Gastfamilie nahm sich meiner an, wir waren z.B. gemeinsam Tennis spielen oder wandern. Außerdem besuchte ich das Jodlerfest in Zug. Das ist ein Fest, bei dem die Tradition des Jodelns und Alphornblasens im Vordergrund steht. Es findet alle vier Jahre an einem anderen Ort in der Schweiz statt. Ich hatte das Glück, es gleich in Zug erleben zu dürfen. Es gab dort viele Essensstände und kleine Bierzelte mit Jodelauftritten. Zudem habe ich den Zuger-Berg auf dem MTB-Trail und den Pilatus mit seiner atemberaubenden Aussicht über den Vierwaldstädtersee besucht. Die Schweizer Städte Luzern und Zürich erkundete ich ebenfalls. Des Weiteren habe ich mit Julia eine Schokoladenfabrik, das Kloster Einsiedeln und den Freiruum, eine internationale Food-Halle, besucht.
ERL: Von den Unterschieden auf der Baustelle hast du ja bereits berichtet. Gibt es auch in der Lebensart Unterschiede zu Deutschland?
Daniel: Mir ist es so vorgekommen, als würden die Schweizer noch etwas höflicher sein als wir Deutschen. Zudem geben viele Schweizer immer diplomatische und neutrale Antworten. Die Stadt Zug ist eine sehr saubere Stadt mit sehr guter Infrastruktur. Bus und Bahn fahren pünktlich, Straßen, Brücken und Tunnels sind neu und gepflegt.
ERL: Was war dein persönliches Highlight während des Aufenthaltes in der Schweiz?
Daniel: Die wunderschöne Landschaft der Schweiz hat mich sehr beeindruckt, vor allem der Ausblick vom Pilatus auf den Vierwaldstädtersee.
Aus beruflicher Sicht war das Sichtmauerwerk, das ich erstellen durfte, etwas ganz Besonderes, da ich so eines bei der Firma ERL wahrscheinlich nicht mehr mauern werde.
ERL: Empfiehlst du den Austausch weiter?
Daniel: Ja, unbedingt. Man kann durch den Austausch ein anderes System kennenlernen und das eigene System besser einschätzen. Zudem knüpft man neue Kontakte und sieht ein fremdes Land. Durch den Aufenthalt in einer Gastfamilie kann man hautnah die Lebensart und Kultur erfahren. Eine ganz klare Weiterempfehlung!
ERL: Vielen Dank für diese spannenden Einblicke!